DORNTORUS 2 DORNTORUS (1)
Vorspiel
Torusknoten
Worum geht’s ? Was wird hier gespielt ?
Spiel„raum“, Spiel„feld“, „falsches“ Spiel
Vorgabe
Das Spiel : Spielregeln
Zubehör
Für ein geometrisches Spiel brauche ich Mathematik. Und eine Fundamentale Physik sollte Entsprechung in einer Fundamentalen Mathematik haben. Welche muß
ich wählen? Welche Axiome darf sie enthalten? Axiome, die eventuell nur logisch erlaubte „Ausschmückungen“, nur Erfindung, Idee und Werkzeug des formalistischen Mathematikers und nicht zwingend notwendig für ein funktionierendes
einfaches Minimalsystem sind, will ich weglassen, persönliche Neigung und gewisse Willkür nicht leugnend. Wie schon in der Vorgabe angedeutet, verzichte ich deshalb auf das Kontinuumsaxiom und damit auf eine stetige Welt. Verzicht heißt
aber nicht Negation. Verzicht auf Kontinuum muß nicht zusätzliches Axiom bedeuten, zusätzlich zu den allgemein akzeptierten der Mengenlehre, auf denen eine Minimalmathematik aufbaut, die ich (selbstverständlich) übernehme und die mir als
Zahlen die natürlichen zur Verfügung stellt. Keineswegs muß ich auf mathematische Methoden verzichten, die Stetigkeit voraussetzen, wie die gesamte Infinitesimalrechnung und damit auf das mächtige Instrument Differentialgleichungen.
Es ist nur eine Art Maßstabsverschiebung (und dann Näherungsverfahren), wenn ich sie auf Differentiale im Bereich sehr großer Zahlen anwende. Liebäugle ich mit Determiniertheit, mit Entscheidbarkeit aller meiner Schlüsse, muß ich allerdings
auch noch auf die Vollständigkeit der Arithmetik verzichten. Dies will ich aber nur erst mal im „Hinterkopf“ behalten, nicht auf Biegen und Brechen von vornherein fordern. So viel - so wenig nur - über die
Mathematik. Sie ist die Anleitung zum Spiel, der Rahmen, der den Regeln Sinn verleiht.
Nun darf ich also mit Mengen spielen, mit ihren Elementen und auch mit deren Eigenschaften. Ich darf mir Eigenschaften ausdenken, in Umgangssprache formuliert, diese in mathematischer Form meinen Elementen zuordnen und die „erlaubte“ Arithmetik entsprechend den Axiomen auf sie anwenden. Limitiert im Ausdenken von Eigenschaften bin ich nur durch die aufgestellten Spielregeln. Diese sind nun aber nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern paßgenau auf die Geometrie des Dorntorus zugeschnitten. Er ist das Spielzeug - das wichtigste Requisit im Spiel.
Seine Eigenschaften sind nicht frei wählbar. Als mathematisches Objekt ist sein Verhalten in einem mathematischen Rahmen mathematisch zu beschreiben. Zugrundeliegende Prinzipien sind zu entdecken und - spielregelgemäß - auf eines zu reduzieren. Dieses - „Das Prinzip“ - befolgen heißt Wirklichkeit nachstellen, heißt Naturgesetze imitieren. Es ist der Sinn des Spiels - und das Hochgefühl, Zusammenhänge zu erkennen, der Gewinn.
Taktik zurück
Um auf der Grundlage von Regeln und Zubehör ein sinnvolles, interessantes und spannendes Spiel zu entwerfen, bedarf es eines groben Plans für den Spielverlauf. Die Regeln sind sehr allgemein, entsprechend ist das Vorgehen ohne Zweifel von persönlichen Vorlieben und subjektiver Wertung abstrakter Dinge geprägt. Sie bilden ja weder ein Axiomensystem, noch enthalten sie irgendwelche Hinweise auf die anzuwendende Logik. Beides, Axiome und Logik, haben wir in Form von Mathematik als notwendiges Zubehör aufgenommen. Die Regeln sind lediglich eine Sammlung frommer Wünsche, die man fast beliebig mit Sinn erfüllen kann. Eine Voraussetzung allerdings ist unabdingbar: Man muß vergessen können! Man muß klar erkennen (oder wenigstens akzeptieren), daß die Bedeutung physikalischer Begriffe nur deren Erklärungsrahmen charakterisiert, den Begriffen selbst aber keine Eigenständigkeit und Absolutheit zuordnen kann. In unseren Denkkategorien fixierte Vorstellungen von diesen Begriffen - die mit ihnen gekoppelten Assoziationen - müssen wir vollständig verdrängen, wenn wir auf der sehr viel niedrigeren Stufe von „Eigenschaften“ und „Entitäten“ ein Netz logischer Aussagen knüpfen wollen - unbeeinflußt von den Automatismen des Denkens, die sich sonst sofort und zwanghaft einschalten, sobald es um vermeintlich reale Dinge geht. Auf dieser Stufe gibt es keine realen Dinge! Hier stehen uns nur Übereinkünfte über logische Aussagen und Schlüsse zur Verfügung, nur reine Ideen, die letztendlich allein auf Umgangssprache und deren individuell - je nach Erfahrungsgehalt - unterschiedlich geprägter Semantik beruhen. Aussagen über reale Existenz physikalischer Begriffe und Strukturen auf so niederer Stufe sind gleichbedeutend mit der Realität der verwendeten Mittel - in der Regel ist es die Mathematik. So wie Mathematik immer nur ein Modell einer absoluten Wahrheit bleibt, welchen philosophischen Standpunkt wir auch immer einnehmen, so kann eine Fundamentale Physik nur durch ein Modell repräsentiert werden, das in ein menschliches Denkschema paßt. Und dies ist der Punkt - die Taktik des Spiels: wir brauchen ein passendes Schema, müssen die alten, die sich als untauglich erwiesen haben, vergessen, verdrängen und durch ein geeigneteres ersetzen. „Untauglich“ muß ich natürlich sofort bescheiden relativieren, darf das Wort nur auf die noch bestehenden ungelösten Rätsel in der Physik beziehen, auf Inkonsistenzen, Widersprüche, nicht erkennbare Zusammenhänge in den Theorien, erkenntnistheoretische Lücken und Unstimmigkeiten und schließlich auf die unbefriedigenden Interpretationen. Davon abgesehen haben wir eine hervorragende Physik, die aus realistischer, empiristischer oder auch operationalistischer Sicht kaum weiter zu verbessern ist. Dem Idealisten läßt sie noch Raum für große Ideen, mir immerhin für kleine Spielereien.
Bild „Taktik Torus - verwundene Wulste“
Wortspiele, Mitspieler und Spielverderber zurück
Um mir über meinen eigenen, etwa „philosophisch“ oder „wissenschaftstheoretisch“ zu nennenden, Standort, dessen Bezeichnung mich, ohne darüber kommunizieren zu müssen, im Grunde genommen überhaupt nicht interessiert, einmal selbst klar zu werden, will ich einen Versuch unternehmen auszuloten, welche Vertreter der verschiedenen Denk- und Stoßrichtungen zur Erkenntnisgewinnung als Mitspieler in meinem Spiel in Frage kommen und welche ich mir wegen der Gefahr, mich gegen Spielverderber zur Wehr setzen zu müssen, besser vom Halse halte:
Der Empirist übersieht, daß die Filter der Sinne dem menschlichen Bewußtsein eine nahezu unleserliche Kopie dessen aufprägen, was die Wahrnehmungen verursacht. Er beraubt sich aller Möglichkeiten, Sinne zu überlisten, ihre Filter zu überbrücken und Erkenntnis zu produzieren statt nur zu sammeln und per Formallogik zu verwalten. Andererseits hat er durch sein Leugnen der Wirklichkeit physikalischer Entitäten - Bezugsobjekte der Physiker - eine gewisse Bereitschaft hinzuhören, wenn Realität ohne diese erklärt wird und wenn Raum und Zeit als Engramme kritisiert werden, denn dies weiß er ja schon, akzeptiert allerdings diese Engramme als unabänderlich gegeben. Dem Realisten fehlt diese Bereitschaft. Er wendet sich mit Grausen ab, hat weder Sinn für Spielereien noch sieht er einen im Aufstellen von Spielregeln, die keinen Bezug zu seiner pragmatischen Wirklichkeit haben. Der Idealist will gar keine Verbindung herstellen zwischen den reinen Ideen der wirklichen Welt und den Interpretationen in Modellen und Spielen, vergeudet nicht die Muse mit ihm nichts sagenden Spiel. Die meisten sonstigen philosophischen Sektierer koppeln in höherer Stufe der Erkenntnissuche ein, reichen nicht bis herab zu den alles enthaltenden Entitäten, abstrahieren gar nicht erst von der Existenz des Suchenden und Spielenden.
Schade! Aus dieser Sammlung bleibt kein einziger Mitspieler mehr übrig. Andere sind nicht in Sicht. Gibt es denn nur Spielverderber? Dabei stimme ich doch allen Vertretern in wichtigen Punkten ihrer Doktrinen zu: dem Realisten darin, daß eine „äußere“ Welt wirklich existiert und unabhängig von mir und anderen Beobachtern auch nach Regeln funktioniert, dem Empiristen darin, daß unsere Regeln, die Naturgesetze, nicht wortwörtlich wahr sind, sondern immer nur Modelle der Wirklichkeit, in denen Raum, Zeit und Größen Interpretationen der Erfahrung sind, dem Operationalisten darin, daß Erkenntnis Optimieren dieser Modelle bedeutet. Der Rationalist lehrt mich, dies mit Reflexion zu versuchen, der Irrationalist aber, daß auch mein bestes Modell nur Krücke ist, mit der ich um die nie erreich- und vorstellbare Wahrheit humple, nur um die kurzen Augenblicke vermeintlich naher Begegnung zu genießen.
Am nächsten stehe ich vielleicht dem „nackten“ Idealisten, der sich nicht mit undurchsichtiger Mystik verhüllt. Er weiß von der Existenz der Regeln, von der absoluten Identität einer Fundamentalen Welt der Zahlen und Ideen mit der Wirklichkeit. Er darf mit Fug und Recht Mathematik treiben. Für ihn gilt: Natur gehorcht einem zugrundeliegenden Prinzip. Natur ist Mathematik.Spielverlauf zurück
Beginnen soll das Spiel ohne (viel) Mathematik. Engramme verdrängen heißt Bilder entfernen. Das kann ich nicht mit Zahlen. Ich brauche neue Bilder dort, wo die alten nicht mehr passen. Um klare Vorstellungen zu gewinnen, hier von geometrischen Figuren und Strukturen, bedarf es langen intensiven Eindenkens. Es geht nicht ohne, will ich Eigenschaften des Dorntorus genauso wirklich „sehen“, wie ich den Raum der Anschauung immer als Bild vor mir und „um mich herum“ habe. Zum Spiel gehört das Training. Ist das neue Bild dann eingefangen, identifiziere ich die Eigenschaften aus den Etappenzielen 2 und 3, wozu ich schon die Axiome und Zahlen aus dem Zubehör benötige. Die Größe GRÖSSE steht dann zur Verfügung. Eine Regel zum Rechnen mit ihr, Charakteristikum der Arithmetik, welcher die GRÖSSE unterliegt, kommt jetzt ins Spiel. Ich nenne sie bedeutungsvoll „Das Prinzip“. Damit kann ich einen Raum konstruieren, in dem an die Stelle der Koordinaten abstrakte zweikomponentige Gebilde treten, wie sie z.B. komplexe (hier ganze komplexe) Zahlen darstellen. Im Spiel werden sie von den Dorntori repräsentiert.
Ein erster Höhepunkt des Spiels ist das Erkennen der Selbstmetrisierung. Schnell folgen weitere in Form von Analogien mit physikalischen Strukturen: Bewegung, Ortsveränderung, Geschwindigkeit, Maximalgeschwindigkeit, Relativität, Quantelung, Wechselwirkung, Nichtlokalität und schließlich ganze Kaskaden von Assoziationen mit Begriffen bisher oft nur nebulösen Wesens. Und das alles mit einem einzigen Bild!
Der Trick
ist, dieses neue Bild mit Hilfe des alten zu erzeugen. Nichts spricht dagegen, die Routine, Souveränität und sogar Virtuosität, mit denen wir das mathematische Gebilde dreidimensionaler Raum ganz selbstverständlich ständig verwenden, sich
auch im Spiel zunutze zu machen. Ganz allmählich übernimmt der neue Raum Aufgaben und Funktionen des gewohnten, der irgendwann dann plötzlich völlig überflüssig wird. Mit einem Schlag kann ich ganze Ladungen von Voraussetzungen, Axiomen
und Anfangsbedingungen als unnötig gewordenen Ballast über Bord werfen - das alte ausgediente Bild gleich hinterher.
Mit diesem Augenblick des Glücks endet das Spiel - die Arbeit beginnt.
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